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CARE: Ein Paket geht mit der Zeit

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Nach dem Krieg verschickte CARE Pakete mit Kaffee und Kaugummi. Heute sammelt die Organisation, die den American Way of Life nach Deutschland brachte, Spenden für Nothilfe. Pakete gibt es nicht mehr.

Kakao und Kaffee für den Kriegsgegner? Aus US-amerikanischer Sicht waren Hilfslieferungen für das besiegte Hitler-Deutschland zunächst abwegig. Doch als im Winter 1945 Fotos von Hungernden und Vertriebenen um die Welt gingen, die ihren Familienschmuck für ein Kilo Kartoffeln beim Bauern eintauschen mussten, rollte in den USA eine beispiellose Hilfswelle an.

“Die Carepakete haben Millionen von Menschen vor dem Hungertod gerettet”, bedankte sich später Bundeskanzler Konrad Adenauer. “Das können wir nicht vergessen, und das werden wir nicht vergessen.”

Die Hilfe von der Siegermacht USA begann vor mehr als 70 Jahren. Die erste Schiffsladung legte am 15. Juli 1946 in Bremerhaven an. Insgesamt zehn Millionen Pakete schickte die US-amerikanische Hilfsorganisation CARE zwischen 1949 und 1960 ins zerstörte Nachkriegsdeutschland.

Macht ein Kaugummi satt?

CARE wurde 1945 als “Cooperative for American Remittances to Europe” in den USA gegründet. Mittlerweile stehen die vier Buchstaben der weltweiten Hilfsorganisation, die seit 1980 auch eine Niederlassung in Deutschland hat, für “Cooperative of Assistance and Relief Everywhere”.

Schlange stehen und Hoffnung tanken: Drei Millionen Berliner erhielten nach dem Krieg Carepakete

“Viele Carepakete kamen von US-Amerikanern, die Verwandte in Deutschland hatten”, erinnert CARE-Sprecher Stefan Brand. “Die Redewendung: ‘Ich stelle ein Carepaket für Dich zusammen’, entwickelte sich so zu einem geflügelten Wort für Hilfslieferungen.”

Allerdings: Nur wer im Nachkriegsdeutschland eine feste Adresse hatte, kam in den Genuss der mit braunem Packpapier verschnürten Postsendung. Angesichts der großen Wohnungsnot war dies damals nicht einfach. Viele Familien lebten auf engem Raum zusammen. Die meisten Carepakete wurden deshalb in Sammellagern und an Ausgabestellen verteilt.

Eigentlich für US-Soldaten

Ursprünglich kaufte CARE Überschüsse aus der US-Armee auf und schnürte daraus die Pakete. In den USA konnten diese gegen eine Spende in Höhe von 15 Dollar gekauft und dann nach Europa verschickt werden. Während der Blockade West-Berlins brachte CARE mit Charter-Flugzeugen, im Volksmund Rosinenbomber genannt, über 200.000 Pakete in die Stadt.

Auch nach der Aufhebung der Blockade am 12. Mai 1949 lief die Versorgung mit Carepaketen weiter. Die Luftbrücke wurde noch bis zum 30. September 1949 aufrechterhalten. CARE setzte die Hilfslieferungen sogar bis 1960 fort. Fast zehn Millionen Pakete gelangten in diesem Zeitraum nach Deutschland, drei Millionen davon erhielten die Berliner.

Kaugummi und Kekse, Mickymaus und Donald Duck: Amerikanische Kultur für die Kleinen

Mickymaus und Donald Duck

Durch das Carepaket lernten viele Deutsche ein Symbol US-amerikanischer Kultur kennen: das Kaugummi. Die Hilfslieferungen in deutsche Wohnzimmer enthielten aber nicht nur Essbares, darum machten sie auch insbesondere Kinder mit Mickymaus und Donald Duck bekannt. Die Comicfiguren zierten die Rückseiten von Schulheften und Malbüchern.

Lebensmittel wie Corned Beef und Erdnussbutter offenbarten typisch amerikanische Essgewohnheiten, und die Kleidungsstücke – Jeans und Turnschuhe – vermittelten einen Hauch des American Way of Life.

Nachfrage auf dem Schwarzmarkt

Carepakete waren nicht nur dazu da, Not zu lindern, sondern dienten auch als wertvolle Tauschobjekte auf dem Schwarzmarkt. Sogar die Heiratsbranche wurde durch die Hilfslieferungen belebt – so jedenfalls berichten es die Annalen der Hilfsorganisation. Danach versprach eine Frau aus Frankreich in einer Kontaktanzeige ihrem künftigen Ehemann ein Carepaket. Auf die Anzeige meldeten sich 2.437 hungrige männliche Bewerber.

Hilfe für Zyklon-Opfer in Mosambik: Care verteilt Zeltplanen und Grundnahrungsmittel im Ort Nhamaibwe

Auch heute wirbt die Hilfsorganisation weiterhin damit, Carepakete zu verschicken – allerdings nur im übertragenen Sinn. “Es gibt keine klassischen Carepakete mehr”, stellt Sprecher Stefan Brand klar. Angesichts der hohen Transportkosten sei ein individueller Versand von Paketen heute nicht mehr sinnvoll. Entwicklungspolitisch sei es effektiver, alle Artikel vor Ort oder in der Region einzukaufen.

Hilfe per Helikopter

Die aktuelle Hilfe von CARE richtet sich deshalb nicht mehr an einzelne Familien, sondern versorgt die Bevölkerung in Krisenregionen, wie zurzeit in den vom Zyklon Idai überfluteten Gebieten in Mosambik. Die Lieferungen von Zeltplanen, Trinkwasser und Grundnahrungsmitteln werden gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen koordiniert.

“In der Nachkriegszeit waren es Rosinenbomber, heute sind es Transportschiffe und Helikopter, die Nahrungsmittel und andere wichtige Hilfsgüter liefern”, sagt CARE-Nothelferin Ninja Taprogge, die in Mosambik im Einsatz ist. 

Der Zykon in Mosambik und der Krieg in Syrien beschäftigen die Hilfsorganisation zurzeit mehr als der Rückblick auf die Erfolgsgeschichte der Carepakete in der deutschen Nachkriegszeit. Die Lektion von damals lautet: Hunger und Not dulden keinen Aufschub. 

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