Wirtschaft

Die Kehrseite der Medaille

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DARMSTADT – Das ist viel Geld. Pro Kind und Jahr stellt der Staat Familien eine Förderung in Höhe von 1200 Euro in Aussicht, um ihnen der Kauf einer Immobilie zu erleichtern. Gezahlt werden soll das Geld zehn Jahre lang. Im Fall von zwei Kindern bedeutet das 24.000 Euro Zuschuss zum Eigenheim. Voraussetzung ist, dass das Haushaltseinkommen 75.000 Euro nicht übersteigt; hinzukommen 15.000 Euro als Freibetrag für jedes Kind. Das steht im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbart. Noch dieses Jahr soll ein entsprechendes Gesetz in Kraft treten.

So viel Geld die Förderung Familien bringt, sie ist nicht unproblematisch. Der Anreiz, den sie für Häuslebauer darstellt, kann deren Blick auf die Finanzierung trüben. Zehn Jahre reichen den meisten nicht, um die eigenen vier Wände abzustottern, eine Anschlussfinanzierung ist dann nötig. Dieses Darlehen aber muss die Familie komplett aus eigener Kraft stemmen. Wer das ausgelaufene Baukindergeld nicht durch Einkommenssteigerungen ausgleichen kann, muss schauen, wo er das Geld abknapsen kann.

Doppelt so hohe Zinsen

Eng werden kann es auch schon früher. Nämlich dann, wenn ein Sprössling zu Hause auszieht. Der Staat zahlt das Geld nur für Kinder, die in der Immobilie leben. Und der Anspruch endet mit deren 25. Lebensjahr.

Zu bedenken gilt es auch, dass die Bauzinsen nicht mehr allzu lang auf ihrem historisch niedrigen Niveau bleiben werden. Experten erwarten, dass die Leitzinsen im Sommer nächsten Jahres steigen werden. Die Bauzinsen dürften vorher anziehen. Der Biallo-Index für Baugeld – er basiert auf mehr als einhundert Angeboten – deutet bereits auf einen Umschwung hin. Der langjährige Abwärtstrend brach Ende 2016 ab, seither bewegen sich die Zinsen seitwärts. Im Klartext: Bauherren, die jetzt noch eine Finanzierung mit einem effektiven Zins in Höhe von 1,5 Prozent erhalten, müssen für ein Anschlussdarlehen in zehn Jahren womöglich doppelt oder dreimal so hohe Zinsen bezahlen – ohne Baukindergeld.

Die Förderung ist nicht wirklich ein Novum. In den Jahren 1996 bis 2005 pumpte der Staat die sogenannte Eigenheimzulage in den Immobilienmarkt, dazu gewährte er noch eine Kinderzulage über seinerzeit 1500 D-Mark. Es zeigte sich, dass die Finanzspritze gerade an der Zielgruppe, eher einkommensschwachen Familien, vorbeiging. Die Kosten für den Steuerzahler erreichten zweistellige Milliardenhöhe. Ökonomen übten massive Kritik an der Regelung. Nicht die Häuslebauer, sondern die Bauwirtschaft werde unter dem Strich subventioniert, hieß es damals etwa.

Milliarden für ein “ineffizientes Wohlfühlprogramm”

Auch am neuen Baukindergeld entzündet sich Streit. “Das Baukindergeld dürfte insgesamt ähnlich negative Effekte wie die im Jahr 2006 zu Recht abgeschaffte Eigenheimzulage entfalten”, moniert das Kölner Institut für Wirtschaft (IW) in einer aktuellen Studie. Die Experten prophezeien, dass das Geld vor allem in ländlichen, strukturschwachen Regionen landen wird, wo vergleichsweise wenig Baubedarf besteht. “Hierdurch können sich Leerstandsprobleme verstärken”, schreiben sie. In Ballungsgebieten, wo Bauland knapp ist, würde das Baukindergeld zu höheren Preisen beitragen, “da Bauträger das Kindergeld einpreisen können”. Zudem rechnet das IW mit “Mitnahmeeffekten”. Viele Haushalte werden das Geld einstreichen, obgleich sie den Zuschuss nicht benötigen, heißt es.

Kritik kommt auch vom Bund der Steuerzahler. Das Baukindergeld gilt als “ineffizientes Wohlfühlgramm”. Stattdessen wäre Familien mehr geholfen, wenn die Grunderwerbsteuer gesenkt werde, betont die Organisation.

Der Staat zieht es vor, auf andere Weise wieder viel Geld auszugeben. Sprudelt, wie vorgesehen, ab diesem Jahr Baukindergeld, wird das den Fiskus bis 2021 “mindestens 3,6 Milliarden Euro kosten”, schätzen die Experten des IW.

 

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