Wissen und Technik

Die Revolution findet am 20. Mai statt

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Neue Maße für die Welt. In Berlin traf man sich interdisziplinär zum „Salon Sophie Charlotte“, um einmal richtig über das Messen zu sprechen.

Maß, voll? Selbst Bier muss genau vermessen werden.

Was am 20. Mai 2019 geschehen wird, ist eine Revolution. „Die Welt des Messens steht vor einem fundamentalen Wandel“, urteilt der Physiker und Nobelpreisträger von 1985, Klaus von Klitzing. Am Welttag der Metrologie – Fachbegriff für Maß- und Messungsforschung – sollen dann Meter, Kilogramm, Sekunde und andere Basiseinheiten des „Système International d’Unités“ (SI) auf die stabile Grundlage von Naturkonstanten gestellt werden.

Handel mit Außerirdischen

Damit werden universelle Fixpunkte, die Max Planck schon im Jahr 1900 forderte – Konstanten, „die ihre Bedeutung für alle Zeiten und für alle, auch außerirdische und außermenschliche Culturen behalten“ –, nun offiziell Grundlage des internationalen Messsystems. Dieses werde in einer Art und Weise verändert, „dass wir auch mit Außerirdischen Handel treiben könnten“, sagte Klitzing in seinem launigen Vortrag zur Eröffnung des „Salon Sophie Charlotte“ am Samstagabend. Seine Forschungen zum Quantenwiderstand haben das neue Kilogramm mit ermöglicht.

Die publikumswirksamste Veranstaltung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) – erneut gehörte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zu den Gästen – fand diesmal in Kooperation mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt statt und war dem Thema „Maß und Messen“ gewidmet. „Das richtige Maß muss genau, stabil und universell“ sein, forderte von Klitzing. Auch mit „der Maß“ als offizieller „Maß“-Einheit für Biermengen habe man einst in Bayern versucht, diesen Kriterien zu genügen: Gleichsam preußisch korrekt sollte die Kanne genau 1,069 Liter enthalten – was aber auch nur annähernd den 50 Karlskubikzoll, an denen sich dieses Volumen orientierte, entsprach. Seit Jahren klagen Oktoberfest-Besucher, dass ihre Maß Bier kaum je auch nur die aktuelle, schon dem metrischen System angepasste Menge von einem ganzen Liter enthält. Doch selbst mit schlecht eingeschenkten Maßkrügen ist das Maßhalten für viele dort schwer. Auch das ist messbar, etwa in den 717 Alkoholvergiftungen der Bilanz von 2018. Die Berliner Salon-Besucher hielten sich in den kurzen Pausen jedenfalls eher an Wasser, Apfelschorle oder ein 0,2-Gläschen Weißwein. Denn es galt, sich zu konzentrieren.

Leistung messen

Im literarischen Salon stellte die Historikerin Nina Verheyen ihr Buch „Die Erfindung der Leistung“ vor, in dem sie unter anderem darlegt, wie das auf Schulnoten basierende „Berechtigungswesen“ und die Intelligenztests in die Welt kamen, wie Leistungsmessung im Sport und die Vision der Leistungssteigerung unsere Vorstellung vom menschlichen Körper veränderten. Verheyen brach eine Lanze für das Messen von Leistung – insofern es die auf keinerlei Verdienst und Anstrengung beruhende Weitergabe von Privilegien ablöse. Sie plädierte aber für eine sozialere Definition von Leistung. Eine solche könne auch helfen, gegen soziale Ungleichheiten und eine Orientierung allein an Marktmechanismen anzugehen.

Auch Wissenschaftler und ihre Institutionen müssen sich auf einem solchen Markt behaupten. „Selbst hier in diesen heiligen Hallen“ müsse entschieden werden, welche neuen Mitglieder die Akademie aufnehme, gab der emeritierte Chemieprofessor der Humboldt-Universität, Akademiemitglied Joachim Sauer, zu bedenken. Wie lässt sich ihre Qualität messen? Helfen Rechengrößen wie der „Impact-Faktor“, die Auskunft darüber geben, wie viel ein Forscher in Fachzeitschriften publiziert hat und wie oft Kollegen ihn zitieren? Die Historikerin Barbara Stollberg-Rillinger mahnte, sich der Folgen der Vermessung von Wissenschaft bewusst zu sein: Man neige letztlich oft selbst dazu, an diese quantitative „Zuschreibung von Exzellenz zu glauben“.

Planck statt Platin

Eine weitere Gesprächsrunde widmete sich der „Vermessung der Gesundheit“. Seit 2014 werden Daten von insgesamt 200 000 gesunden Erwachsenen an 18 Studienzentren bundesweit gesammelt. Das Großprojekt NaKo (der Begriff stammt von der inzwischen nicht mehr verwendeten Bezeichnung „Nationale Kohorte“) soll vor allem Auskunft über die Entstehung der wichtigen Volkskrankheiten wie Diabetes, Krebs und Herzkreislaufleiden geben. Hier wird – allerdings in einem anderen Sinn, als es der Urheber dieses geflügelten Wortes, der griechische Philosoph Protagoras, meinte – wirklich der Mensch zum „Maß aller Dinge“.

Ihn genau zu vermessen, wird aber auch dadurch, dass etwa das Kilogramm ab Mai nicht mehr anhand der Masse eines in Paris lagernden Platin-Iridium-Klotzes, sondern anhand des „Planck’schen Wirkungsquantums“ definiert wird, nicht leichter werden.

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