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Sakkara – Schatzkammern in der Wüste

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In einer altägyptischen Nekropole unweit von Kairo wird ein “Sensationsfund” nach dem anderem gemacht. Was ist das Geheimnis von Sakkara?

Das 4400 Jahre alte, farbig ausgemalte Grab des Hohepriesters Wahtye wurde im Dezember 2018 von einem ägyptischen Archäologenteam…

Aus den Resten eines jahrtausendealten, stark beschädigten Holzsargs barg der Tübinger Ägyptologe Ramadan Badry Hussein vor gut einem Jahr eine altägyptische silberne Totenmaske mit Goldauflage. Ein Blick in die in schwarzem Edelstein ausgeführten Augen des Mumienschmucks – und Hussein wusste, dass er einen „Sensationsfund“ vor sich hat. Die Wiederentdeckung der vergoldeten Maske aus saitisch-persischer Zeit (664-404 v. Chr.) war der erste einer langen, bis heute andauernden Serie von Funden im ägyptischen Sakkara. Sie machten den Namen der Totenstadt 30 Kilometer von Kairo international einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Aus Sakkara stammen in jüngerer Zeit auffällig viele Meldungen über Mumiensärge und reich geschmückte Grabkammern. Warum gerade dort? Und warum gerade jetzt? In der Nekropole arbeiten seit Jahrzehnten kontinuierlich mehrere internationale Ausgrabungsteams. Doch in den vergangenen Monaten stellte die ägyptische Altertumsbehörde immer häufiger „Sensationsfunde“ vor. Das gut sieben Kilometer lange und anderthalb Kilometer breite Areal erscheint als neuer Hotspot der altägyptischen Archäologie, obwohl der einst führende Ägyptologe Zahi Hawass dort bereits 2005 bis 2008 aufsehenerregende Funde bekannt gemacht hatte.

Jeder Spatenstich führt zu neuen Funden

Die Region sei voll von relevanten Hinterlassenschaften, die noch nicht ausgegraben sind, sagt Husseins Kollege Christian Leitz von der Universität Tübingen. „Wo Sie mit den Spaten reinstechen, werden Sie etwas finden.“ Einzig vergleichbar seien die königlichen und privaten Grabanlagen in Luxor, der altägyptischen Stadt in Oberägypten, die Homer in der Ilias als das hunderttorige Theben besang. In Luxor ist seit Jahrhunderten aber schon weit mehr ausgegraben worden als in Sakkara. In der weniger untersuchten Nekropole bei Kairo sei gerade im Bereich der Privatgemächer mit weiteren bedeutenden Funden zu rechnen, sagt Leitz.

Die Region unterscheidet sich landschaftlich kaum von anderen Gegenden in der ägyptischen Wüste. Sakkara liegt an der Grenze zu den fruchtbaren Überschwemmungsgebieten auf der westlichen Nilseite und ist trocken, heiß, steinig und sandig. Doch für die rund zehn Kilometer entfernte altägyptische Haupt- und Handelsstadt Memphis wurde Sakkara zur Totenstadt. Könige, Königinnen, Würdenträger und vermögende Privatleute aus der Stadt ließen dort über 3000 Jahre ihre Gräber anlegen.

Zweifelsohne also ist Sakkara ein außergewöhnlicher Ort, der zudem vom Tourismus wenig entdeckt ist. Das soll sich nach dem Willen der ägyptischen Regierung ändern. Die vergoldete Silber- und Goldmaske, die Ramadan Badry Hussein dort barg, und weitere seiner Funde aus dem Grabkomplex wurden Journalisten, Fotografen und Kulturschaffenden direkt vor Ort vorgestellt. Ebenso wie die Reste einer angrenzenden Einbalsamierungswerkstatt. Dafür stellten die Behörden eigens holzgerahmte Glasschaukästen in der Wüste auf, die man sonst nur in alten Museen sieht.

Öffnung der Grabkammer für den Journalistentross

Im November 2018 folgte die aufwendige Präsentation von sieben Steinsärgen für Katzenmumien. Vier der Sarkophage stammten aus der Zeit des Alten Reichs (2707 – 2216 v. Chr.). Drei weitere datierten die Forscher in das Neue Reich (1550 – 1070 v. Chr.). Darin fanden sich Dutzende einbalsamierte Katzen sowie 100 vergoldete Holzkatzen und eine Bronzestatue der Katzengöttin Bastet. Hinzu kamen zwei Kalksteinsarkophage mit mumifizierten Skarabäen sowie mehrere Holzsarkophage mit einbalsamierten Kobras und Krokodilen.
Doch nicht genug der aufsehenerregenden Funde. Im Dezember vergangenen Jahres machten ägyptische Archäologen die Entdeckung eines 4400 Jahre alten, verblüffend gut erhaltenen und farbig ausgemalten Grabes eines Hohepriesters mit dem Namen Wahtye in Sakkara bekannt. Es wurde direkt an der berühmten Stufenpyramide des Pharaos Djosor aus der 3. Dynastie, (2700 – 2620 v. Chr.) gefunden. Antikenminister Khalid al-Enani sprach von einer der „schönsten Entdeckungen, die wir in der vergangenen Zeit gemacht haben“.

Weitere sollten folgen: Anfang April dieses Jahres entdeckten Wissenschaftler von der Prager Karls-Universität in einem Grab auf einer Säule aus rotem Granit den Namen der dort Bestatteten. Damit konnte das Grab der Königin Setibhor aus der 5. Dynastie (2504 bis 2347 v. Chr.) zugeordnet werden. Ägyptische Mitarbeiter desselben Archäologenteams stellten der Öffentlichkeit Mitte April eine mit Inschriften reich verzierte Grabkammer aus der Zeit der 4. Dynastie (2620 – 2500 v. Chr.) vor. Ein Würdenträger namens Chui sei dort beigesetzt worden, teilte das Antiken-Ministerium mit. Al-Enani lud zur Öffnung der Grabkammer neben der Presse Dutzende Botschafter und Kulturattachés aus mehr als 20 Ländern ein.

Schön, aber nicht einzigartig: Was Archäologen wirklich interessiert

Dabei legten die Behörden „eine vollkommen andere Werteskala als die Wissenschaft an“, sagt der Tübinger Ägyptologe Leitz. Zwar seien die zuletzt entdeckten Inschriften wunderschön, aber keineswegs einzigartig. Auch die vergoldete Silbermaske sei ästhetisch hochwertig und bringe der Forschung auch neue Erkenntnisse. Aber letztendlich sei sie nur ein kleiner Teil dessen, was die Tübinger Ägyptologen und Archäologen in Sakkara erforschen.
„Wissenschaftlich interessanter“ findet Leitz die ebenfalls von Hussein entdeckte Balsamierungswerkstatt. Aufschriften auf den Tonscherben der ursprünglichen Gefäße verraten, was in ihnen aufbewahrt wurde. An einigen kleben sogar noch Reste der Salben, die der chemischen Analyse harren.

Sakkara ist indes nicht die einzige Fundstätte, die weiterhin erstaunliche Entdeckungen ermöglicht. So haben die Behörden im 20 Kilometer entfernten Gizeh erst Anfang Mai neben den großen Pyramiden (4. Dynastie) einen Friedhof präsentiert. Neben der Doppelbestattung eines Priesters und eines Aufsehers fanden sie dort die Gräber vor allem von Bauarbeitern, die an den Pyramiden gearbeitet haben.

Was Gizeh mit Sakkara und mit den angrenzenden Regionen Abusir und Daschur verbindet, ist denn auch der Bau von Pyramiden, die allerdings kleiner ausfielen als die von Gizeh. Die Nekropolen westlich von Memphis sollten also nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr gingen die Landschaften ineinander über. Der eigentliche Friedhof von Memphis zieht sich durch alle vier Regionen rund 30 Kilometer von Norden nach Süden. Die Archäologen sprechen von einem „Pyramidenfeld zwischen Gizeh und Daschur“. Unter dieser Bezeichnung wird die Region auch in der Liste des Weltkulturerbes geführt.

Doch keine der Teil-Nekropolen wurde so lange genutzt wie die in Sakkara – seit der 1. Dynastie der Könige, also von der altägyptischen Frühzeit bis in die Römerzeit und teils auch in die christliche Zeit danach, sagt Leitz. Weil sich dort die gesamte ägyptische Geschichte mit allen ihren Brüchen widerspiegelt, ist Sakkara also durchaus einmalig.

“Besser als Nachrichten von Anschlägen”

Doch der Blick auch für die Kontinuitäten geht der ägyptischen Antikenbehörde zuweilen verloren – im Dienst der Tourismusindustrie. Die hat sich seit der Revolution von 2011 – auch angesichts immer neuer tödlicher Anschläge in Touristenregionen und etwa auf christliche Kirchen – noch lange nicht erholt.

Mit Meldungen immer neuer archäologischer „Sensationen“ sollen die Reisenden aus den vergleichsweise am stärksten besuchten Ferienresorts am Roten Meer auch wieder nach Kairo und in die archäologischen Stätten entlang des Nils gelockt werden. Sakkara soll dabei offenbar als ein neues Ziel des Kulturtourismus aufgebaut werden. Ägyptologe Leitz zeigt Verständnis: „Solche Nachrichten sind besser als Nachrichten von Anschlägen.“

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