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Ein Leonardo im Vorstand?

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Wagemut, breite Bildung und Zuversicht: Was Theodor Weimer, der Chef der Deutschen Börse mit Sitz in Frankfurt, von dem Universal-Genie der Renaissance gelernt hat.

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WIESBADEN – Der Werbeblock, wie ihn Börsenchef Theodor Weimer nannte, währte knappe fünf Minuten. Dann widmete sich der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Börse AG vor Gästen bei der Nassauischen Sparkasse in Wiesbaden dem Universalgenie Leonardo da Vinci. Nicht unbedingt dessen 500. Todestag, der 2019 ansteht, motivierte Weimer zu seinen Ausführungen, sondern die Talente und Eigenschaften des Renaissance-Genies. Titel seines Vortrags: „Mehr Leonardo da Vinci im Board Room?“

Der Wiesbadener Weimer nutzte sein Heimspiel, um nach gut einem Jahr an der Spitze der Frankfurter Börse für sein Haus zu werben. Dessen Wert liege mit geschätzten 20 Milliarden Euro deutlich vor dem der berühmten New York Stock Exchange und weltweit an Position 4. Dies auch ohne die gescheiterte Fusion mit der Londoner Börse. „Das war zwar auf dem Papier richtig, ist aber an der Realität gescheitert.“ Vielleicht sei das auch ganz gut so, schloss er. In Deutschland profitiere der Finanzdienstleister über seine Tochter Clearstream praktisch von jedem Wertpapierverkauf. Weltmarktführer sind die Frankfurter beim Handel mit Gas und Strom. „Dabei sind wir kein Finanzunternehmen mehr, sondern ein Technologiekonzern“, berichtete Weimer. 1500 seiner 5000 weltweit operierenden Mitarbeiter seien Softwareentwickler. Technologie und Personalressourcen stellten die entscheidenden Werte in seinem Geschäft dar. Daher wagte Weimer auch einen Blick ins kalifornische Silicon Valley. Er sprach von überhitzten Immobilienmärkten, hochgehandelten IT-Experten und mit Milliarden Dollar überhäuften Start ups.

Zur Zeit Leonardos seien die revolutionären Neuerungen von der Toskana und der Lombardei ausgegangen. Wer sich heute vor Digitalisierung und deren Folgen fürchte, müsse sich die Umwälzungen des 15. Jahrhunderts vor Augen halten. Gutenbergs Buchdruck mit beweglichen Lettern, die Entdeckungen des Kolumbus, der Siegeszug der arabischen Zahlen hätten die Menschen herausgefordert. Mittendrin das Genie Leonardo, Architekt, Maler, Bildhauer, Musiker, Konstrukteur, Ingenieur. Weimer zählte von der Mona Lisa im Louvre bis zur Kanalisation in Florenz Leistungen des Toskaners auf, der Menschen seziert und sich im wahrsten Sinne an der Quadratur des Kreises versucht habe.

Sollten denn nun lauter Leonardos Vorstände und Aufsichtsräte bevölkern? Weimer wiegelte ab. Nicht das Universalgenie, aber viele seiner Qualitäten seien bei Managern und Aufsehern gefragt. Der frühere Berater und Banker plädierte für mehr Wagemut, für breite Bildung und Zuversicht – auch in ein stetiges Wachstum. Vor allem von der nächsten Generation lerne er, dass purer Shareholder Value (Unternehmensgewinn) nicht mehr genüge. Noble purpose, frei übersetzt eine werthaltige Unternehmensstrategie, ohne Ressort-Egoismus und ohne Angst vor Fehlern sei gefordert. Zum Trost für seine Zuhörer offenbarte der Referent auch die zahlreichen negativen Eigenschaften des Universalgenies. Leonardo habe viele Arbeiten zu spät oder gar nicht abgeliefert; keiner seiner Flugapparate habe je wirklich abgehoben.

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