Wirtschaft

Möbelhandel kämpft in Deutschland mit Umsätzrückgängen

0

Während das Geschäft in den großen Häusern am Stadtrand häufig rückläufig ist, wächst der Online-Handel kräftig. Bei Ikea macht der Konzernumbau die Belegschaft nervös.

Jetzt teilen:

WALLAU – Die Stimmung im Möbelhandel ist derzeit nicht die beste. Nach Berechnungen des Branchenverbandes BVDM ging der Umsatz im Möbel- und Einrichtungshandel 2018 in Deutschland um zwei Prozent auf 32,9 Milliarden Euro zurück. Doch das ist nicht die einzige Herausforderung. „Wir stellen fest, dass sich die Einzelhandelslandschaft in einem nie dagewesenen Ausmaß und Tempo verändert“, sagte Ikea-Chef Jesper Brodin.

Online-Handel mit Möbeln wächst zweistellig

Zur Höhe des Online-Anteils beim Möbelhandel kursieren für Deutschland verschiedene Zahlen, meist bewegen sie sich aber im einstelligen Prozentbereich. Doch das wird sich bald ändern. 2018 legte der Online-Umsatz mit Möbeln nach Erhebungen des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel um 12,5 Prozent zu, für die Zukunft veranschlagen Prognosen ein jährliches Plus von bis zu 14 Prozent. Das klassische stationäre Geschäft ist dagegen häufig rückläufig.

Die Branche steht vor dem Umbruch – oder steckt schon mittendrin, wie das Beispiel Ikea zeigt. „Geschäftstransformation“ nennt es der schwedische Möbelriese und Marktführer in Deutschland. Bei Ikea Deutschland lag der Online-Anteil am Umsatz zuletzt bei 7,4 Prozent. Das Wachstum des Online-Handels war in Deutschland mit 30 Prozent aber überdurchschnittlich. Zwar betonte Deutschland-Chef Dennis Balslev, dass die großen Häuser ein wichtiger Erfolgsfaktor blieben. Dennoch will der Konzern das Ruder jetzt herumreißen. Mit einer neuen Expansionsstrategie.

IKEA WÄCHST

Der Ikea-Konzern konnte im Geschäftsjahr 2017/2018 (30.8.) seinen Umsatz um 4,5 Prozent auf 38,8 Milliarden Euro steigern. In Deutschland fiel das Wachstum mit 2,8 zwar geringer aus, erstmals durchbrach das Unternehmen beim Umsatz aber die Marke von fünf Milliarden Euro. Gewinnzahlen nennt das Unternehmen nicht.

Dass die großen Möbel-Tempel auf der grünen Wiese den Bedürfnissen vieler Kunden nicht mehr entsprechen, weiß man in den Führungsetagen schon lange. Daher will der Konzern zum einen das Online- und Service-Angebot deutlich aufstocken. Alles selbst zusammenbauen? Die Ikea-Idee kann eine wachsende Zahl von Kunden nicht mehr teilen. Küchenaufmaß und Montage werden verstärkt nachgefragt.

Zum anderen will man kleinere Einrichtungsstandorte in Form von Sevice- und Bestellcentern etablieren – mitten in den Innenstädten. „Wir wissen, dass viele Menschen kein Auto haben. Für sie ist Ikea bisher nicht zugänglich genug“, sagte eine Sprecherin.

Kann ein solcher Innenstadt-Store auch in Mainz, Wiesbaden oder Frankfurt eröffnet werden? Ein Statement einer Ikea-Sprecherin sorgt für entsprechende Spekulationen. Man wolle mit den Filialen in die Metropolregionen, „und da gehört das Rhein-Main-Gebiet dazu“, sagte sie dem Portal „Merkurist“. In Unternehmenskreisen sieht man für Rhein-Main aber aktuell nur sehr wenig Chancen. Ikea habe weltweit 30 Megastädte zum Test solcher Projekte auserkoren. Aus Deutschland sei bislang nur Berlin dabei, heißt es.

Das auf drei Jahre ausgelegte Transformationsprogramm hat auch ganz konkrete Konsequenzen für die Mitarbeiter. 7500 der rund 160 000 Stellen sollen weltweit abgebaut werden, im Gegenzug will man 11 500 neue Arbeitsplätze schaffen. Mehr weiß die Belegschaft noch nicht. Betriebsbedingte Kündigungen soll es zwar nicht geben. Dennoch seien alle nervös, heißt es beim Gesamtbetriebsrat. In eilig einberufenen Info-Veranstaltungen versuchte das Unternehmen, die Gemüter zu beruhigen: Ikea werde in Zukunft unterm Strich nicht weniger, sondern mehr Menschen beschäftigen.

Die erhoffte Wirkung brachte das nicht. Denn erstens sieht sich auch die Arbeitnehmervertretung vom Management noch völlig im Dunkeln gelassen, wie sich Stellenab- und aufbau auf die einzelnen Länder verteilen. Zweitens rechnet man im Unternehmen damit, dass die neuen Arbeitsplätze vor allem in Asien entstehen, wo die Schweden derzeit ein neues Haus nach dem anderen eröffnen. Und drittens soll sich der Jobabbau nach Angaben des Konzerns auf die Zentralen konzentrieren. In der Deutschland-Zentrale in Wallau arbeiten rund 500 Mitarbeiter, im Möbelhaus mehr als 400.

Unternehmen wird „Salami-Taktik“ vorgeworfen

Auch um die Beschäftigten in den Einrichtungshäusern mache man sich Sorgen, heißt es beim Gesamtbetriebsrat mit Blick auf das rückläufige Geschäft in den großen Möbel-Tempeln und die Strategie der kleineren Innenstadt-Stores. Zwar könnten durch den wachsenden Online-Handel in der Ikea-Logistik und in Call-Centern neue Jobs entstehen. Aber reicht das, um einen möglichen Jobabbau im Inland zu kompensieren?

Da man vom Management so gut wie keine Informationen bekomme, seien Prognosen hierzu nicht möglich, heißt es beim Gesamtbetriebsrat. Die Arbeitnehmervertreter sind sauer und bezeichnen die Informationspolitik des Konzerns als „intransparent“ und als „Salami-Taktik“. Im Rahmen des Transformationsprogramms „werden die Veränderungen in den verschiedenen Märkten zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen“, erklärte Ikea auf Anfrage. Dabei werde jeder Markt einzeln betrachtet und analysiert.

Grüne sehen Nationalen Bildungsrat als „Luftschloss“

Previous article

Neue Wirkstoffe im Kampf gegen Krebserkrankungen

Next article

You may also like

Comments

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

More in Wirtschaft