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Sportler des Jahres Wahl – Patrick Lange im Interview: Zwischen Massagebank und Ironman

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Zum zweiten Mal hat Triathlet Patrick Lange in diesem Jahr den Ironman auf Hawaii gewonnen. Er stellte sogar einen ewigen Rekord auf. Leben konnte er von seinem Sport alleine lange Zeit trotzdem nicht. Im Interview spricht er nun über Geld, Teilzeitjobs – und seine Motivation, ein Großer seines Sports zu werden.

Patrick Lange mit seiner Frau nach dem Ironman-Sieg: “Möchte einer der Großen unseres Sports werden”

Wenn am Sonntagabend die Gala zur Wahl der Sportler des Jahres in Baden-Baden steigt, gilt er als ein Favorit bei den Männern: Patrick Lange gewann in diesem Jahr zum zweiten Mal den berühmtesten Triathlon der Welt, den Ironman auf Hawaii. Vor der Wahl führte Sebastian Moll für den stern ein Interview mit Lange. Dort blickt er auf das Jahr und seine Entwicklung zurück und verrät, dass er auch in den kommenden Jahren vorne mitmischen will. Lange will “ein Großer” seines Sports werden – und dabei hilft ihm auch die Erfahrung eines anderen deutschen Ironman-Gewinners: Jan Frodeno.

Herr Lange, trainieren Sie schon wieder für Ihren nächsten Hawaii-Sieg?

Nein, ich habe die letzten Wochen nur sehr wenig trainiert. Ich habe mir die Zeit zum Erholen genommen und habe natürlich viele Termine wahrgenommen. Ich habe die letzten zwei Monate des Jahres wirklich komplett in die Hände meines Managers gelegt.  

Man sagt, die Zeit direkt nach dem Ironman sei für das Geschäft die wichtigste, weil es die einzige Zeit ist, in der die Öffentlichkeit den Triathlon wahrnimmt. 

Ich glaube, das stimmt nicht mehr so ganz, es wird heute viel mehr über Ironman gesprochen als früher. Aber es ist natürlich trotzdem die wichtigste Zeit im Jahr, Hawaii ist mit Abstand das größte Event in unserem Sport. Von daher ist es wichtig jetzt den Sieg in bare Münze umzusetzen. Ich habe ja leider nicht wie ein Fußball-Spieler die Gelegenheit, mich jedes Wochenende zu präsentieren.

Was verdient man denn als Ironman-Weltmeister so?

Die Siegprämie in Hawaii liegt bei 120.000 Dollar, davon kommen auf dem Konto 70-80.000 Euro an. Ich will mich darüber nicht beklagen, aber alleine davon kann ich ein ganzes Jahr mit Trainings- und Wettkampfreisen und meinem Betreuer-Team nicht finanzieren. Und Hawaii ist ja noch das Rennen mit dem größten Preisgeldtopf. Bei kleineren Rennen gehe ich als Sieger auch mal mit 2000 Euro nach Hause. 

Aber Sie leben ja nicht vom Preisgeld alleine.

Zum Glück nicht.

Sie mussten praktisch bis zu Ihrem ersten Hawaii Sieg zumindest noch Teilzeit arbeiten.

Ich habe 20 Stunden pro Woche als Physiotherapeut gearbeitet, bis ich mich 2016 dazu entschlossen habe, eine Saison lang Vollgas zu geben und zu schauen, ob ich mich als Profi etablieren kann. Wenn ich da gemerkt hätte, dass es nur fürs Mittelfeld reicht, hätte ich das mit dem Triathlon dann auch irgendwann wieder bleiben lassen.

Dann sind Sie beim ersten Versuch gleich Dritter bei der Weltmeisterschaft geworden. Bereuen Sie im Nachhinein, dass Sie nicht früher alles auf eine Karte gesetzt haben?

Nein, der Zeitpunkt war richtig. Ich bin froh, dass ich mir mit meiner Ausbildung einen doppelten Boden geschaffen habe. Das haben viele andere Profis nicht. Die ziehen dann das Studium ins Unendliche, andere haben sogar die Schule abgebrochen. Ich könnte da nicht ruhig schlafen. Das schlimmste, was mir passieren kann ist, dass ich wieder als Physio arbeite.

Hawaii

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Als erster Ironman hat der Deutsche Patrick Lange die Acht-Stunde Marke geknackt. Nach dem Zieleinlauf nutzte Lange die Gelegenheit, seiner Freundin eine besondere Frage zu stellen.

Könnten Sie sich vorstellen jemals wieder an der Massagebank zu stehen.

Absolut. Ich weiß sehr zu schätzen, was mir da passiert ist in den letzten beiden Jahren. Ich werde nie vergessen, wie das war, der 80-jährigen Oma ihre Hüfte zu mobilisieren. Wenn es mir schlecht geht im Sport, wenn mir die Decke auf den Kopf fällt, denke ich genau an diese Zeit zurück. Da hole ich mir dann ein Stück weit Dankbarkeit ab, was mir dann wiederum neue Antriebskraft ist.

Sind Sie als zweifacher Weltmeister jetzt abgesichert?

Ich könnte nicht morgen in den Ruhestand gehen. Davon bin ich meilenweit entfernt. Aber das will ich auch gar nicht, dafür liebe ich den Sport zu sehr.  

Wie stark ist denn für einen Profi angesichts dieser finanziellen Zwänge der Leistungsdruck?

Da habe ich in diesem Jahr eine extrem steile Lernkurve hinlegen müssen. Als Hawaiisieger musst Du immer gewinnen, das wird von Dir erwartet. Meine Herausforderung war es dabei, das nicht an mich heran zu lassen. Das hat aber auch ein dreiviertel Jahr gedauert. Meine Saison wurde überall als schlecht dargestellt. Dabei hat man übersehen, dass ich bei jedem Rennen auf dem Podium gestanden habe. Und ich bin auch der Konkurrenz nicht aus dem Weg gegangen. Ich habe jedes Rennen dazu benutzt, etwas zu lernen. Und das Ziel war immer nur Hawaii. Doch es hieß die ganze Zeit, was ist denn das los, der Lange ist schon wieder nur Dritter geworden. Es war für mich zum Teil nicht leicht, mich davon nicht aus dem Konzept bringen zu lassen.

Sind bei Ihnen Zweifel aufgekommen, dass Sie in Hawaii wieder vorne mitmischen können?

Natürlich. Aber ich glaube, das ist ein normaler Prozess. Wenn man mal zwei, drei Trainingseinheiten hat, die nicht so laufen, dann fängt man an, zu grübeln. Dann werden der Trainer und das Umfeld wichtig als Ansprechpartner, die einen wieder in die richtige Richtung pushen.

Warum ist es so viel schwieriger, den Erfolg zu wiederholen, als das erste Mal zu gewinnen? Das hat bislang kaum jemand geschafft in Hawaii.

Da gibt es nicht eine einzige Sache. Zunächst mal ist da nach dem ersten Sieg eine gewisse Leere. Du hast Dir Deinen Traum erfüllt, und Du denkst “Was jetzt?”. Die Frage musst Du Dir erst einmal beantworten. Hinzu kommt, dass man sich mit ganz neuen Dingen auseinandersetzen muss. Wenn ich meine Terminkalender von 2016 und 2017 übereinander lege, sind da 2017 300 Prozent mehr. Dann kommt der angesprochene Druck, überall gewinnen zu müssen. Man hat das ja auch bei der Nationalmannschaft im Fußball gesehen. Die vermeintlich kleinen Gegner sind 120 Prozent motiviert, Das ging mir ja vor fünf Jahren auch noch so, wenn der Hawaii Sieger da ist, möchtest Du natürlich gewinnen und dann wächst Du über Dich hinaus.

Aber vor Hawaii haben Sie dann ja die Motivation wiedergefunden?

Der Antrieb war eigentlich das ganze Jahr über da. Nur die Gesamtbelastung war zu hoch. Ich habe erst im Trainingslager in Texas, wo ich meine letzte Vorbereitung absolviere, wieder zu mir gefunden. Ich konnte mich zum ersten Mal im ganzen Jahr nur darauf konzentrieren zu essen, zu schlafen und zu trainieren. Da hat es Klick gemacht, da war ich wieder voll da.

Ironman auf Hawaii

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Eine “Tagesschau”-Sendung dauert 15 Minuten, für den Ironman quälte er sich fast elf Stunden: Sprecher Thorsten Schröder landet beim Extrem-Triathlon auf Hawaii im Mittelfeld und hat sein persönliches Ziel erreicht.

Zu Hause haben Sie sich manchmal quälen müssen?

Ich konnte im Training meine Leistung nicht abrufen, da war eine gewisse Grundermüdung. Da schwimmst Du beispielsweise pro 100 Meter zwei bis drei Sekunden langsamer und denkst – ich pushe doch genauso hart, warum geht das jetzt nicht? Da muss man aufpassen, dass man nicht in eine Negativspirale gerät.

Sie geben der mentalen Vorbereitung einen großen Raum. Was bedeutet das für Sie?

Das wichtigste für mich war, mir den Druck zu nehmen. Dazu musste ich herausfinden, was das denn ist, was den Druck in mir auslöst. Für mich ist das, wenn ich mir einrede, ich muss unbedingt gewinnen oder zumindest Zweiter werden. Aber genau das ist der Fehler. Ich habe gelernt, mir Ziele zu setzen, die nicht leicht sind, aber die sich erreichbar anfühlen. Also sage ich mir, dass ich bei der Siegerehrung aufgerufen werden möchte, also zumindest Top Ten. Dann habe ich mir beigebracht, mich auf meine Stärken zu konzentrieren. Ich habe mir gesagt, ich bin jetzt zwei Mal in Hawaii den Marathon in 2:40 gelaufen, warum soll das in diesem Jahr nicht mehr klappen? Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass ich schlechter laufen soll.

Man spricht im Triathlon von einem Kona Code, den manche Athleten knacken, andere hingegen nie. Haben Sie den Kona Code geknackt, haben Sie das Rennen in Hawaii entschlüsselt?

Wenn Du einmal gewonnen hast, dann hast Du den Kona Code zumindestens schon einmal geknackt. Ich würde trotzdem versuchen, immer respektvoll zu bleiben. Man darf niemals glauben, dass man das Rennen im Griff hat. Jan Frodeno etwa musste nach zwei Siegen in Folge beim dritten Mal aufgeben. Ich hatte danach eine Unterhaltung mit ihm, die sich mir eingeprägt hat. Er hat gesagt, wenn Du denkst, Du hast das Rennen verstanden, dann – verzeihen Sie – fickt es Dich.

Sie hatten 2017 extreme Höhen und Tiefen während des Rennes. Sie haben erzählt, dass Sie aufgeben wollten. Das gab es diesmal nicht?

Es war anders. Ich hatte ein wirklich sehr mittelmäßiges Schwimmen, ich bin beinahe drei Minuten langsamer geschwommen als letztes Jahr und das hat sich sehr schlecht angefühlt. Ich musste dann nach dem Schwimmen im Kopf das Rennen komplett neu beginnen. Das ist mir auch schnell gelungen, ich konnte mich auf dem Rad in Bereiche pushen, in die ich mich vorher noch nie pushen konnte.

Woran lag das?

Zum einen gab noch nie so gute Bedingungen. Außerdem haben wir an der Fahrradtechnik extrem gefeilt, das alleine hätte zwei bis zweieinhalb Minuten gebracht. Außerdem kommt hinzu, dass ich einfach ein Jahr mehr Training im Körper habe. Ich bin ja erst im dritten Profijahr. Ich glaube, dass ich leistungstechnisch noch nicht am Ende der Fahnenstange angekommen bin.  

Erklären die Bedingungen und die technische Verbesserung wirklich alleine ihre steile Leistungsentwicklung?

Ich bin seit zehn Jahren beim gleichen Trainingsinstitut in Frankfurt. Wenn man dort meine Daten ansieht, kann man meine Leistungsentwicklung sehen, das zeige ich jedem, der das sehen will. Man kann genau sehen, dass es jedes Jahr ein kleines bisschen besser wurde. Wenn ich dopen würde, dann hätte es irgendwann einmal einen Knick in der Leistungsentwicklung gegeben. Den gab es aber nicht. Den einzigen Knick gab es bei mir in dem Jahr, in dem ich Profi geworden bin und nicht mehr arbeiten musste. Die Leute denken ja, dass ich 2016 völlig aus dem Nichts kam. Da wird vergessen, dass ich den Sport schon viele Jahre auf einem hohen Niveau betreibe.

Wie sind Sie zum Wettkampfsport gekommen?

Es gab bei uns im Ort einen Bikeathlon, eine Kombination aus Mountainbike und Laufen. Das habe ich als Jugendlicher gesehen, da ist man mitten durch die Stadt gefahren, die Leute haben an der Strecke gestanden und gejubelt. Das fand ich megageil. Dann habe ich mich erkundigt, was man da machen muss, um zu gewinnen. Bis dahin war mein Hauptsport GoCart fahren. Mountainbiken hat mir gefallen, weil das auch mit Technik und Geschwindigkeit zu tun hatte. Das Laufen kam dann im Winter dazu, wenn es zu kalt war zum Biken. Da habe ich angefangen Cross-Läufe zu machen. Das war geil, durch den Schlamm zu Rennen und über Strohballen zu hüpfen. Auf der Straße zu laufen war mir eher zu langweilig.

Jetzt haben Sie zwei Mal in Hawaii gewonnen, was treibt Sie im kommenden Jahr an, es noch einmal zu versuchen?

Für mich kristallisiert sich gerade heraus, dass ich gerne einer der Großen in unserem Sport werden möchte. Ich will irgendwann einmal in einem Atemzug mit Legenden wie Craig Alexander oder Dave Scott genannt werden.

Wann hat man das geschafft?

Ich werde immer derjenige sein, der als erster die acht Stunden auf Hawaii gebrochen hat, das ist schon einmal ein großer Schritt. Es ist super schön, etwas zu haben, was Dir niemand mehr nehmen kann. Ansonsten kommt es sicher über die Anzahl der Siege und die Konstanz über die Jahre. Mein Coach Faris al Sultan zum Beispiel ist 13 Mal in Hawaii gestartet und war neun Mal Top Ten. Das ist schon geil.

Wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit Al Sultan aus?

Er macht die gesamte Trainingsplanung und -Gestaltung und wir stehen in ständigem Kontakt. Was mir dabei gut tut, ist, dass ich mein Körpergefühl einfließen lassen kann. Faris schreibt mir keinen exakten Tempobereich vor. Ich bin keine Maschine, die einfach etwas abspult. Wenn ich mich schlecht fühle, habe ich auch die Freiheit zu sagen, es geht heute nicht. Faris weiß, dass ich kein Athlet bin, der sich vor Anstrengungen weg duckt. Umgekehrt weiß er auch, dass ich das auch mache wenn er sagt, heute muss es mal zur richtig zur Sache gehen. Wir haben ein Vertrauensverhältnis, das ist ganz wichtig.

Trainieren Sie vor allem alleine?

Das Problem ist, dass ich mittlerweile kaum mehr Trainingspartner finden kann. Mein bester Trainingspartner ist zur Zeit schwer verletzt, das ist ein großes Problem für mich. Ich weiß noch nicht, wie ich das kompensieren soll.

Sie heiraten demnächst. Lässt sich das Eheleben denn mit einer Profi-Existenz vereinbaren?

Ich habe das Glück, eine Frau gefunden zu haben, die extrem sportbegeistert ist, die aber gleichzeitig sehr selbstständig ist. Sie unterstützt mich voll, macht aber gleichzeitig ihr eigenes Ding. Wir haben aber auch vom ersten Tag an begonnen, gemeinsam mittel- und langfristige Pläne zu machen. Das ist super erleichternd, wenn man da das Gefühl hat, dass man an einem Strang zieht. Natürlich orientiert sich das zwangsläufig jetzt erst einmal alles an mir. Ich habe in den kommenden Jahren eine einmalige Gelegenheit. Aber ich tue es ja auch, um für unsere gemeinsame Zukunft etwas aufzubauen.

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