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„Wir müssen mehr weibliche Vorbilder schaffen“

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Frauen sind in der Führungsebene von Start-ups in Hessen unterrepräsentiert. Drei Gründerinnen erzählen über Selbstständigkeit und warum Frauen dem Unternehmen guttun.

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WIESBADEN/DARMSTADT – Ist mit der Start-up-Szene eine weitere Männerdomäne in der Berufswelt entstanden?

Der Femal Founders Monitor 2018, ein bundesweiter Report, der vom Bundesverband deutscher Start-ups herausgegeben wurde, zeigt, dass in Hessen lediglich 2,8 Prozent der Start-ups im vergangenen Jahr durch reine Frauenteams gegründet wurden. Damit liegt Hessen im Ranking der Bundesländer auf Platz neun. Die meisten weiblichen Start-ups hat der Stadtstaat Berlin hervorgebracht. Darüber hinaus gleicht sich die Anzahl aller Gewerbean- und abmeldungen laut Gründerreport Hessen immer mehr an. Insgesamt sind beide allerdings rückläufig.

„Der Arbeitsmarkt bietet gute Konditionen. Dementsprechend gründen nur die, die sich dazu wirklich berufen fühlen“, erklärt Sebastian Everling vom Career Center der Hochschule Darmstadt die Situation. Trotzdem sind Frauen unter den Gründern unterrepräsentiert.

Hinfallen gehört zum Geschäft

Drei Gründerinnen aus Hessen erzählen, wie es ist zu gründen und warum Frauen einem Start-up guttun.

„Wir müssen mehr weibliche Vorbilder schaffen“, sagt Julia Tanasic. Sie ist Geschäftsführerin des Start-ups „digital madness“ aus Frankfurt, das andere Unternehmen bei digitalen Marketingstrategien berät. Die Frankfurterin hat bereits zwei Gründungen hinter sich und wurde mit der nun dritten erfolgreich. Dass man in der Start-up-Branche oft hinfalle, gehört für Tanasic zum Geschäft. Ihrer Meinung nach ist es wichtig, dass Frauen gründen. „Sie bringen eine andere Kultur ins Unternehmen und Diversität schafft Kreativität“, sagt Tanasic. Allen Gründerinnen rät sie: Bereitet euch gut vor. Ein Jahr hat Tanasic den Markt beobachtet, bevor sie ihre Idee in die Tat umgesetzt hat. In Deutschland wünscht sich Tanasic manchmal eine positivere Mentalität gegenüber der Existenzgründung.

Für Katharina Reinhard ist gründen ein „Menschenthema“. „Es ist sehr risikoreich und man hat viel Druck. Da gibt es genauso Männer, die nicht selbstständig sein können oder wollen“, sagt sie. Und Familienleben sei am Anfang nicht drin, dies sei utopisch. Vor fünf Jahren hat die promovierte BWlerin mit der Idee zu einer Licht-Therapie bei eitrigen Abszessen (Akne inversa) das Start-up Lenicura in Wiesbaden gegründet.

Trotz der harten Arbeit würde Reinhard nicht tauschen wollen. „Für mich ist es toll, ein Projekt zu haben, mit dem man so viel Unterschied macht.“ Sie rät allen Frauen, sich einen Mentor zu suchen und sich ehrlich zu fragen: „Kann ich damit glücklich werden?“

Hannah Kling aus Darmstadt sagt: „Man muss darüber reden, um anderen Frauen Mut zu machen.“ Sie ist Gründerin der Eismanufaktur „Thildas Eis“. Zuvor hat sie in einem Start-up und in anderen Unternehmen gearbeitet.

Für Kling ist aber immer klar gewesen, dass sie sich irgendwann selbstständig macht. „Man braucht den inneren Wunsch, das Ganze tatsächlich umzusetzen und alle Energie einzubringen.“

Ihrer Beobachtung nach, wagen mittlerweile mehr Frauen den Schritt zur Selbstständigkeit. Für Kling war es besonders wichtig, sich mit Inhabern anderer Eismanufakturen auszutauschen und sich mit den zuständigen Ansprechpartnern der Kammern auseinanderzusetzen. „Die Informationen sind da, man muss sie sich nur holen.“

Als Anlaufstelle für Informationen dienen mittlerweile nicht nur die entsprechenden Kammern, sondern auch viele Angebote speziell für Frauen. Der Verein Berufswege für Frauen aus Wiesbaden begleitet seit 21 Jahren ausschließlich Frauen bei der Existenzgründung. „In Hessen und speziell in Wiesbaden haben wir ein gutes Gründungsklima, aber viele Frauen kommen zu uns, weil in unseren Beratungen nicht nur faktische Themen Platz haben“, erklärt Katja Streck, Projektleiterin der Existenzgründung. Rund 480 Wiesbadenerinnen haben sich im vergangenen Jahr bei Berufswege für Frauen beraten lassen. Beratungsangebote exklusiv für Frauen hat keine der drei Gründerinnen in Anspruch genommen. Trotzdem sind sich alle einige: Frauen sollen mutig sein und dabei auch unterstützt werden. „Gerade Politik, Kommunen, Gemeinden, Wirtschaftsräte und Co. müssen Sorge dafür tragen, dass Frauen Mut entwickeln und sich für Dinge entscheiden, ohne einen Risikokatalog aufzuschlagen“, fordert Tanasic.

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