Wirtschaft

„Das Fleisch ohne Opfer“

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Fleisch aus dem Labor soll konventionelle Tierprodukte ersetzen. Konzerne wie Merck sehen darin einen lukrativen Markt.

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DARMSTADT/WIESBADEN – Das Fleisch, das nie gelebt hat, hat viele Namen: Laborfleisch, Clean Meat, In-vitro-Fleisch, Kulturfleisch oder auch victimless meat (opferloses Fleisch). Dabei geht es um Muskelgewebe, das aus Stammzellen in der Petrischale gezüchtet wird und zu Fleischprodukten verarbeitet werden kann. Prognosen wie die der Vereinten Nationen über ein Wachstum der Weltbevölkerung auf rund 9,8 Milliarden Menschen im Jahr 2050 und einen derzeitigen Fleischverbrauch von allein 59,3 Millionen Schweinen im Jahr hierzulande bestärken das Marktpotenzial von Laborfleisch. Auch die Diskussionen zum Klimawandel rücken das umweltschonende Fleisch mehr in den Mittelpunkt.

Merck an Start-up Mosa Meat beteiligt

Der hessische Chemie- und Pharmakonzern Merck beteiligt sich durch M Ventures, dem Innovationsarm des Unternehmens, an Mosa Meat, einem der mittlerweile etwa 30 Start-ups in der Branche. „Wenn wir so weitermachen wie heute, haben wir irgendwann das Problem, dass wir die Welt nicht mit genug Proteinen versorgen können“, erklärt Thomas Herget, Leiter des Innovation Hubs von Merck in Menlo Park im Silicon Valley, die Gründe für das Engagement. Man könne außerdem bereits bestehende Technologien von Merck in die Forschung einbringen. Des Weiteren seien schon jetzt über 100 Millionen Dollar in den Markt investiert worden.

Bereits 2013 präsentierte der Wissenschaftler Mark Post von der Universität Maastricht und Geschäftsführer des niederländischen Start-ups Mosa Meat das erste Burgerpatty aus In-vitro-Fleisch der Öffentlichkeit. Das Patty kostete damals etwa 25 000 Dollar. Mittlerweile soll der Preis auf neun Dollar gefallen sein, heißt es auf der Webseite von Mosa Meat. Doch bis das Laborfleisch auf dem Markt kommt, dauert es nach Einschätzung von Herget noch fünf bis zehn Jahre.

Die Herstellung des Laborfleischs sorgt allerdings für Kontroversen. „Der große Haken ist derzeit noch die Zucht der Zellen auf einem Nährmedium, welches fetales Kälberblutserum enthält“, sagt Esther Müller vom Deutschen Tierschutzbund. Es wird ungeborenen Kälbern, die aus dem geschlachteten Muttertier entnommen werden, ohne Narkose direkt aus dem Herzen abgepumpt. Die Tiere sterben bei diesem Eingriff. Das Unternehmen Mosa Meat sagt dazu: „Nein, wir verwenden kein fetales Kälberblutserum. Wir haben serumfreie Nährmedien entwickelt, welche wir nun optimieren.“ Um welche Medien es sich dabei genau handelt, gibt das Unternehmen allerdings nicht preis. „Man könnte zum Beispiel humane Blutplättchen-Lysate verwenden, die als Abfallprodukt bei Blutspenden anfallen“, erklärt Tamara Zietek, Ärztin vom Verein Ärzte gegen Tierversuche. Nach ihrer Ansicht sollte man lieber gar kein Fleisch essen, solange es nicht frei von Tierleid ist.

Bernd Weber, Pressesprecher des hessischen Bauernverbands, hat gegen ein hochwertiges Stück Fleisch aus regionaler Landwirtschaft nichts einzuwenden und hält dies auch für den klaren Vorteil gegenüber In-vitro-Fleisch. „Man muss schauen, ob die Verbraucher das Laborfleisch annehmen. Dabei kommt es vor allem auf den Geschmack an.“ Außerdem bezweifelt er, das Laborfleisch tatsächlich eine bessere Umweltbilanz hat. Laut dem Fleischatlas 2018, einem Report der Heinrich Böll Stiftung und des Bunds für Umwelt und Naturschutz verbraucht Laborfleisch mehr Energie als die konventionelle Rindfleischproduktion, hat aber einen deutlich geringeren Ausstoß von Treibhausgasen.

Volker Heinz, Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Lebensmitteltechnik, sieht keine Chance, Laborfleisch sinnvoll und wettbewerblich einzusetzen. Deshalb setzt Heinz auf pflanzliche Proteine. „Am Ende geht es immer um die Struktur, mit der Proteine zu Lebensmitteln werden und die kann man viel effizienter herstellen“, sagt er auf dem Lebensmittelrechtstag in Wiesbaden. Seitens Mosa Meat stelle man sich für die Zukunft eine Co-Existenz von Clean Meat und pflanzlichen Proteinen vor.

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