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Wie sauber ist meine Stammkneipe?

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DARMSTADT/BERLIN – Schimmel, Ungeziefer, Salmonellen, Mäusekot oder Kakerlaken: Derlei ist prinzipiell nun mal nicht wirklich gesundheitsfördernd. Wird aber erst gefährlich und zum Skandal, wenn solche Zustände in einer Wurstfabrik oder Großbäckerei, im Stammrestaurant oder dem Imbiss an der Ecke festgestellt werden. Und wenn dann die Behörden mauern oder nicht konsequent durchgreifen.

Das ist alles schon da gewesen und hat das Misstrauen der Verbraucher geschärft und den Hunger auf Informationen massiv gesteigert.

Weil die gesetzliche Ausgangslage trotz Verbraucherinformationsgesetz bestenfalls halbgar ist, hat die neue Plattform „Topf Secret“ von Foodwatch und der Transparenz-Initiative „FragDenStaat“ den Nerv vieler getroffen. Nach nunmehr zwei Wochen Laufzeit stimmt die Zwischenbilanz. „Mit über 10 000 Anfragen haben wir nicht gerechnet,“ sagte am Freitag Foodwatch-Sprecher Dario Sarmadi.

Am erste Tag wurden bereits 4500 Berichte beantragt

Bereits am ersten Tag nach Start der Initiative haben Verbraucher bei den Behörden die Veröffentlichung von 4500 Hygieneberichten beantragt. Nach Aufrufen der Seite www.topf-secret.foodwatch.de kann man das Restaurant angeben, das interessiert. Oder den Lebensmittelladen. Dann den eigenen Namen angeben plus Adresse für Mails und Postanschrift. Ein vorbereiteter Text wird angefügt und an die zuständige Behörde übermittelt, um an Ergebnisse der amtlichen Hygiene-Kontrolle zu gelangen. Das funktioniert im Handumdrehen – bis die Antwort kommt, kann es freilich dauern. Dass Behörden sich querstellen, ist auch denkbar.

TOPFGUCKER

Die Lebensmittelüberwachung ist Aufgabe der Bundesländer. Bei jedem vierten Betrieb, der überprüft wird, kommt es zu Beanstandungen. Welcher Natur diese sind, ob überhaupt etwas vorliegt, kann künftig über www.topf-secret.foodwatch.de abgefragt werden.

Einige stöhnen bereits ob der hohen neuen Arbeitsbelastung. Aber bisweilen kann es ganz fix gehen. Bereits wenige Stunden nach Start von „Topf Secret“ hat die erste Behörde auf die Anfrage eines Verbrauchers reagiert: Laut dem Ordnungs- und Gewerbeamt in München habe es bei der letzten Lebensmittelkontrolle der McDonald’s-Filiale am Bahnhof München-Pasing keine Beanstandung gegeben.

Je mehr Verbraucher mitmachen, umso öfter kann einem Schmuddelbetrieb das Handwerk gelegt werden, so lautet die Hoffnung. Damit wächst zugleich der Druck auf Berlin und Bundesernährungsministerin Julia Klöckner, endlich die Transparenz zur Regel zu machen und nicht zur Ausnahme“, sagte Arne Semsrott von FragDenStaat. Wenn die Plattform überflüssig würde, hätte man das Ziel erreicht.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch sieht Topf Secret als „Notwehrmaßnahme“. Nach zehnjähriger, mehr oder minder fruchtloser Diskussion soll damit die Debatte neu befeuert werden. Denn seit Langem kommt es bei jedem vierten Betrieb, der kontrolliert wird, zu Beanstandungen. Bisher machen die Kontrollbehörden nur in Ausnahmefällen öffentlich, wie es um die Sauberkeit bestellt ist und noch seltener kommt man an die Namen der schwarzen Schafe, sagt Foodwatch-Mann Sarmadi. Aber er sagt auch: Die Mehrheit der Betriebe arbeitet sauber.

Natürlich fürchten viele bei schlechten Noten um ihre Existenz. Aber die erzieherischen Maßnahmen wirken offenbar, wie sich im Ausland zeigt. In Dänemark etwa erfahren die Kunden direkt an der Ladentür und im Internet anhand von Smiley-Symbolen, wie es um die Sauberkeit bestellt ist. Wenige Jahre nach Einführung dieses Systems hat sich die Quote der beanstandeten Betriebe von 30 auf 15 Prozent halbiert. In Wales und Norwegen sind die Erfahrungen ähnlich positiv.

Die rechtliche Grundlage dafür ist hierzulande besagtes Verbraucherinformationsgesetz, das es zwar seit 2008 gibt, das aber kaum genutzt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung vom vergangenen Jahr ausdrücklich die Rechte von Verbrauchern auf Informationen über lebensmittelrechtliche Verstöße, also zum Beispiel Missstände bei der Hygiene, anerkannt. Allerdings sollen Betriebe ihre Kontrollergebnisse nur „auf freiwilliger Basis“ veröffentlichen. Wie Erfahrungen zeigen, funktioniert das jedoch nicht.

Der Branchenverband Dehoga ist naturgemäß nicht glücklich über den Foodwatch-Vorstoß. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, erklärte, der „Mitmach-Internetpranger“ sei „reinster Populismus“. Und auch ihr hessischer Kollege Julius Wagner sieht den Ansatz kritisch. Die komplette Veröffentlichung von Prüfberichten würde nur zu mehr Verbraucherirritationen und Existenzgefährdungen führen.

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