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Ziemiak als CDU-Generalsekretär: AKK holt sich Merkel-Kritiker ins Haus

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Annegret Kramp-Karrenbauer und Paul Ziemiak werden künftig eng zusammenarbeiten.

Von Hubertus Volmer, Hamburg


Die neue CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer macht, was von ihr erwartet wird: Sie bindet die Konservativen ein. Mit JU-Chef Ziemiak holt sie sich einen Merz-Fan und engen Spahn-Verbündeten ins Konrad-Adenauer-Haus.

Nun hat die CDU doch noch einen Sauerländer in ein hohes Amt gehoben: Paul Ziemiak, Chef der Jungen Union, ist auf dem Parteitag in Hamburg mit mageren 63 Prozent zum neuen Generalsekretär gewählt worden.

Am Morgen hatte die neue Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer den Delegierten Ziemiak vorgeschlagen. Ihr Anforderungsprofil beschreibt sie so: Der neue Generalsekretär soll die jüngere Generation an die CDU heranführen und einbinden, er soll in der Lage sein, eine große Organisation zu führen, und er soll einen professionelleren Umgang der Partei mit den "modernen Kommunikationswegen" umsetzen.

Was sie nicht sagt, was aber viel wichtiger ist: Kramp-Karrenbauer will den konservativen Flügel der Union einbinden. Wie Carsten Linnemann, der Chef der Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU, gehört Ziemiak seit Jahren zum engeren Kreis um Jens Spahn, der mit wirtschaftsliberalen und migrationskritischen Vorstößen immer wieder die Kanzlerin gepiesackt hat.

Sie habe ihre Stellenbeschreibung schon kurz nach Verkündung ihrer Kandidatur im Kopf gehabt, erzählt Kramp-Karrenbauer, und sehr früh "mit Paul das persönliche Gespräch gesucht". Doch Ziemiak gab ihr einen Korb. Er habe gesagt, der Job sei zwar reizvoll. Aber "sein Herz und seine Loyalität" gehörten den Kandidaten aus Nordrhein-Westfalen. Also Spahn und Friedrich Merz.

Am Rande der Tanzfläche

Ziemiak, so ist zu hören, war im innerparteilichen Wahlkampf der CDU hin- und hergerissen zwischen Merz und Spahn – den beiden Kandidaten, die bei der Wahl zum CDU-Vorsitz verloren haben. Auf der Delegiertenparty nach ihrer Wahl habe sie Ziemiak dann noch einmal angesprochen. "Am Rande der Tanzfläche" hätten sie sich unterhalten. Erst da habe sie seine Zusage bekommen.

Dass sein Herz noch immer für Merz und Spahn schlägt, daraus macht Ziemiak kein Geheimnis. "Das war gestern für viele ein Tag, wie sie ihn sich nicht gewünscht haben, weil sie jemand anderes unterstützt haben", sagt er. Parteifreunde aus dem Sauerland – der Heimat auch von Friedrich Merz – hätten ihm gesagt, er könne doch jetzt nicht Generalsekretär für Kramp-Karrenbauer werden. "Das ist ein Argument", sagt er.

Besser als Ziemiak erklärt Carsten Linnemann, was den JU-Vorsitzenden bewogen haben dürfte. Er startet die Debatte um den Leitantrag zur sozialen Marktwirtschaft mit einer Vorbemerkung, in der er an Merz appelliert, die CDU nicht im Stich zu lassen: "Wir müssen den Laden hier zusammenhalten, verdammt noch mal. Ich merke auch, dass das nicht einfach wird", ruft Linnemann. "Aber wir kriegen das hin."

"Ich sah, wie zerrissen sich viele fühlten"

Dabei, "das hinzukriegen", wird es entscheidend auf Leute wie Merz, Linnemann und Spahn ankommen. Und auf Ziemiak. Der 33-Jährige, der schon an seiner Sprache als Westfale erkennbar ist, erblickte in Polen das Licht der Welt und kam als kleines Kind mit seinen Eltern als Spätaussiedler nach Deutschland. Seine ersten Stationen waren die Aufnahmelager Friedland und Unna-Massen. Er kennt das Gefühl, in einem fremden Land anzukommen.

Seine polnischen Wurzeln seien ihm manchmal unangenehm gewesen, schrieb er 2015 im "Spiegel". Er habe so sein wollen wie die anderen und wollte keine Witze über Autodiebe hören. Dabei habe er es noch leicht gehabt. "Ältere Aussiedlerkinder kamen mit ihrer polnischen Identität hier an, mit polnischen Frisuren und Klamotten, die die Deutschen komisch fanden. Ich sah, wie zerrissen sich viele fühlten. Deshalb müssen wir alles tun, um den Flüchtlingskindern dieses Gefühl zu ersparen, sonst erleiden wir alle Frust und Konflikte."

Im Streit um die Migrationspolitik gehörte Ziemiak dennoch zur Speerspitze der Merkel-Kritiker. "Wir müssen klarmachen, dass wir hierzulande keine Parallelgesellschaften dulden werden", sagte er vor ein paar Wochen im Interview mit n-tv.de. "Ausländer, die sich hier strafbar machen, müssen das Land wieder verlassen." Zugleich verstand er sich immer gut mit Kramp-Karrenbauer. Erst im Oktober hatten die Jungunionisten die damalige Generalsekretärin auf ihrem Deutschlandtag gefeiert.

"Erstklassig geeignet"

Ziemiak liebt Schokolade, raucht zu viel, wie er selbst sagt, und ist – wie Spahn – ein Helene-Fischer-Fan. Im Bundestag sitzt er seit 2017. Dort gehört er der Jungen Gruppe an, die sich im Hintergrund für den neuen Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus stark gemacht und ihm die entscheidenden Stimmen besorgt hat. Einen Haken hat der BVB-Fan allerdings: Er kommt nicht aus Ostdeutschland. Dennoch nennt ihn der Bundestagsabgeordnete Tino Sorge aus Magdeburg eine sehr gute Wahl. Mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im kommenden Jahr sagt Sorge n-tv.de, entscheidend werde sein, welche Themen Ziemiak besetzt.

Für die Wahlkämpfe bringt Ziemiak, der seit einem Jahr verheiratet ist und einen kleinen Sohn hat, einen anderen Vorteil mit. Es sind vor allem die Mitglieder der Jungen Union, die den Haustürwahlkampf der CDU organisieren und durchführen. "Ziemiak kann Leute begeistern", sagt Sorge, der ebenfalls zum Spahn-Lager gehört. In der Jungen Union habe er gezeigt, dass er unterschiedliche Lager zusammenführen könne.

Das traut ihm auch der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter zu, ein Mann vom Merkel-Flügel. Es sei gut, wenn "eine junge und deutlich konservativere Kraft" eingebunden werde. Das Durchschnittsalter der CDU-Mitglieder liege bei 62 Jahren. Um die Partei für jüngere Leute attraktiver zu machen, sei der JU-Chef "erstklassig geeignet".

Warum ihm viele Delegierte die Stimme verweigert haben, darüber kann man nur spekulieren. Enttäuschte Merz-Fans, die ihm den Seitenwechsel übel nehmen? AKK-Anhänger, die Ziemiak zu rechts finden? Oder ein Denkzettel für Kramp-Karrenbauer? Egal, Ziemiak strahlt. Nach der Wahl bedankt er sich für das "ehrliche Ergebnis", das ein "Ansporn für harte Arbeit" sei. Und an Arbeit dürfte es in der Tat nicht mangeln.

Hubertus Volmer ist Leiter des Politik-Ressorts von n-tv.de.

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