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Weltbekannte Putin-Kritikerin: Menschenrechtsaktivistin Alexejewa ist tot

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Ljudmila Alexejewa starb nach schwerer Krankheit.


Fast ein halbes Jahrhundert im Dienst der Menschenrechte: Mit Ljudmila Alexejewa verliert Russland eine der bekanntesten Aktivistinnen des Landes. Die 91-Jährige bot auch Präsident Putin die Stirn – und wurde von ihm dennoch geschätzt.

Die renommierte russische Menschenrechtlerin und Kremlkritikerin Ljudmila Alexejewa ist tot. Sie sei nach schwerer Krankheit im Alter von 91 Jahren in Moskau gestorben, teilte der Menschenrechtsbeauftragte des Kreml, Michail Fedotow mit. Er  sprach von einem "riesigen Verlust für die gesamte Menschenrechtsbewegung in Russland". Alexejewa sei bereits länger krank gewesen, "aber ihr Geist war immer stärker als ihr Körper und weitaus stärker als jede Krankheit".

Alexejewa war eine der bekanntesten Bürgerrechtlerinnen Russlands. Sie galt als Grande Dame der Menschenrechtsbewegung in ihrer Heimat. Sie war international und auch in Russland hoch angesehen. Die 91-Jährige war eine scharfe Kritikerin Putins, dennoch verlieh er ihr zu ihrem 90. Geburtstag im vergangenen Jahr einen Preis für "besondere Leistungen im Bereich der Menschenrechte". Auch wenn er sich oft mit ihr gestritten habe, gebühre ihr "enormer Respekt" für ihren Mut, hatte Putin damals erklärt.

Von der Stalinistin zur Aktivistin

Zu Alexejewas 90. Geburtstag gratulierte auch Präsident Putin.

Alexejewas politisches Engagement begann in den 50er Jahren, als erste Informationen über die Gräuel der Arbeitslager unter dem Sowjet-Diktator Josef Stalin an die Öffentlichkeit gelangten. Für die junge Geschichtslehrerin an einem Moskauer Gymnasium, die bis dahin wie ihre Eltern überzeugte Stalinistin war, brach damals eine Welt zusammen.

Schon ab 1956 wurde Alexejewas Wohnung zu einem Treffpunkt für Moskauer Intellektuelle und Dissidenten, die Menschenrechtsverletzungen in der damaligen Sowjetunion anprangerten. Alexejewa informierte Kontaktleute im Ausland über die Zustände in psychiatrischen Kliniken und die Verfolgung von Regimegegnern. Sie wurde rasch zu einer Zielscheibe des Geheimdienstes KGB, der sie immer wieder mit Verhören und Hausdurchsuchungen schikanierte.

Nach harscher Kritik an politischen Prozessen war Alexejewa in der Sowjetunion aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen worden und erhielt Berufsverbot. 1977 musste Alexejewa das Land verlassen und ging in die USA.

Im Exil veröffentlichte die Historikerin 1984 ein Buch über die Dissidenten-Bewegung in der Sowjetunion – noch heute ein Standardwerk. In ihre Heimat kehrte die Russin erst 1993 zurück, wo sie sich fortan weiter für die Einhaltung der Menschenrechte engagierte.

Wiederholt wurde Alexejewa wegen ihres Engagements festgenommen oder tätlich angegriffen. Dennoch bezog sie immer wieder öffentlich Stellung, so nannte sie beispielsweise die russische Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 eine "Schande".

"Eine Ära geht zu Ende"

Bis kurz vor ihrem Tod hatte sie sich für den Aktivisten Lew Ponomarjow eingesetzt, der wegen Aufrufs zu nicht genehmigten Protesten zu einer Arreststrafe verurteilt wurde. Sie habe mit ihrer Assistentin noch kurz vor ihrem Tod darüber gesprochen, wie man anderen Menschen helfen könne, hieß es. "Sie blieb eine Menschenrechtsaktivisten bis zuletzt", schrieb Fedotow. Sie habe dieser Arbeit ihr Leben gewidmet.

"Eine Ära geht zu Ende", sagte Waleri Borschjow von der Moskauer Helsinki-Gruppe der Agentur Interfax. Alexejewa sei ihren Werten und Traditionen stets treu geblieben. "Sie hat die Menschenrechtsbewegung der Sowjetzeit fortgesetzt." Die Gruppe werde ihre Arbeit weiterführen.

Alexejewas Tod sei ein trauriges Ereignis für ganz Russland, betonte die russische Menschenrechtsbeauftragte Tatjana Moskalkowa. "Sie war und bleibt eine Symbolfigur für Ehrlichkeit und den kompromisslosen Kampf für die Menschen und die Gerechtigkeit", sagte die Politikerin. Ex-Finanzminister Alexej Kudrin schrieb auf Twitter: "Ljudmila Alexejewa war ein wunderbarer Mensch, ein echtes Vorbild."

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte laut russischen Nachrichtenagenturen, Präsident Wladimir Putin habe Alexejewas Familie kondoliert. Putin schätze "Alexejewas Beitrag zur Entwicklung der Zivilgesellschaft in Russland sehr und hatte großen Respekt für ihren Standpunkt in mehreren Fragen das Leben in unserem Land betreffend".

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